Dr. Frauke Viebahn

Training - Coaching - Lehre


Leistungsdruck, Prüfungs- und Versagensangst

Deutschland braucht gut ausgebildete Fachkräfte, da sind sich alle einig. Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder später zu diesen gehören, dass sie gut positioniert sind, es vielleicht mal besser haben, als sie selber bzw. den Status halten, bestenfalls übertreffen. Das ist natürlich sehr lobenswert, da junge Menschen früh lernen, sich Herausforderungen zu stellen, ehrgeizig Ziele zu erreichen und eben Deutschlands Zukunft zu sichern.

Diese Entwicklung führt jedoch gleichzeitig in manchen Fällen dazu, dass diese gewünschte Teilhabe mit allen Mitteln erreicht werden soll. Kinder im Kindergartenalter sollen möglichst schon Schwimmen, Fahrradfahren, bis 10 oder weiter zählen, ihren Namen schreiben und vielleicht schon Einblicke in eine Fremdsprache erhalten.

Eltern fühlen sich diesbezüglich (zu Recht) unter Druck gesetzt. Sie möchten schließlich, dass ihr Kind unter den zukünftigen Gewinnern ist. Fehler sind dabei kaum erlaubt. Jedes Kind, das nur im Ansatz lispelt, geht zur Logopädin, das Kind, dass „zu spät“ läuft, geht zur Ergo- oder Physiotherapie und sonstige vermeintliche Defizite werden ebenfalls sofort bekämpft, möglichst früh, damit sich die Mängel bloß nicht festsetzen.

Eines wird dabei allerdings etwas vergessen: Niemand -wirklich niemand- ist perfekt! Fehler sind erlaubt! Sind erwünscht! Kinder müssen aus erziehungswissenschaftlicher Sicht lernen, zu scheitern, um mit späteren Niederlagen umgehen zu können. Doch Niederlagen sind heute verpönt. Aus entwicklungs- und lerntheoretischer Sicht ist dies fatal. Menschen, die nie gelernt haben, mit Fehlern umzugehen bzw. diese zu akzeptieren, werden ihren Ansprüchen schwierig genügen, fühlen sich in der Regel defizitär und haben deutlich eingeschränkte Selbstwirksamkeitsüberzeugungen.

So wie jeder Mensch allerdings Schwächen hat, so hat auch jeder -wirklich jeder- Stärken. Diese gehen im Alltag leider viel zu oft unter. Im Coaching richtet sich der Fokus genau auf diese Potenziale. Sich seiner eigenen Stärken bewusst zu sein bzw. zu werden, hilft, sich wieder Herausforderungen zuzutrauen. Der Lerntheoretiker und Neurobiologe Hüther, dessen Erkenntnissen wir noch häufiger begegnen werden, da sie enorm hilfreich für Entwicklungsprozesse sind, sagt ganz deutlich: Angst und Druck erzeugen im Gehirn Unruhe und Erregung. Demnach hat aus neurowissenschaftlicher Sicht überhöhter Leistungsdruck fatale Konsequenzen: die so erworbenen Erkenntnisse werden mit negativen Gefühlen wie Angst, Verunsicherung, Abwertung und Ohnmacht verkoppelt. Dies verhindert Vertrauensbildung und den Lernprozess. Prüfungsängste sind dann an der Tagesordnung.

Eine Kultur der Wertschätzung, Anerkennung, Ermutigung und der gemeinsamen Anstrengung ist hingegen förderlich, wenn es um die Bewältigung von Herausforderungen und unangenehmen Situationen sowie den Umgang mit eigenen Schwächen geht. Deshalb ist es in diesem Zusammenhang sehr wichtig, Ziele und Visionen zu schaffen, die motivationsförderlich sind. Dabei ist es essentiell, dass diese Ziele intrinsisch sind.

An einem Beispiel erklärt, bedeutet dies: Es hilft nicht, ein Kind 12 Jahre durch die Schule zum Abitur zu treiben, obwohl das Kind an der Schule wenig Freude hat. Die Freude am Lernen und der Ehrgeiz, es schaffen zu wollen, muss in dem Kind verankert sein, da es sonst sehr leicht passiert, dass die Kinder spätestens im Jugendalter gegen den elterlichen Druck rebellieren, z.B. mit einer Verweigerungshaltung oder sich diesem Druck ergeben, oft krank werden, z. B. an Depressionen oder Anorexia leiden, oder nach der Schule spätestens im Studium oder in der Ausbildung sich dem Lerndruck entziehen.

Das bedeutet nicht, dass Lernpartner:innen von Schüler:innen, Auszubildenden oder Studierenden diese nicht begleiten sollten. Es kommt eben auf das ‚Wie‘ an. Wenn das zu Lernende sinnerfüllt ist, in einer angenehmen Lernatmosphäre stattfindet und mit einem Ziel verbunden ist, das der Lernende für sich erreichen möchte, dann freut sich jeder über eine wertschätzende Begleitung beim Lernprozess!

Dann heißt es: „Mit Freude lernen, ein Leben lang“ (G. Hüther)

Weitere Insights

  1. „Die Jugend von heute!“

    …ist besser als ihre Reputation

    ‚Die Jugend von heute‘ ist ein seit Jahrhunderten gebräuchlicher Ausdruck für die neue Generation von Heranwachsenden, die von älteren Generationen oft als „Störenfriede“, „Unruhestifter“ und „Unfähige“ wahrgenommen wird. Bis heute hat es bisher allerdings jede Generation geschafft, die Welt auf die eine oder andere Art für sich zu erobern und vor allem mit den gegebenen Situationen umzugehen. Doch heute geht es um die neue Generation, die Generation „Greta“, wie der bekannteste Jugendforscher in Deutschland Hurrelmann sie nennt.

  2. „Keep on(line)!“

    Medien als Sozialisationsinstanz von Kindern und Jugendlichen sind längst in der Forschung als eine solche anerkannt. Es kommt vermehrt zu Mediensüchten, Medienmissbrauch, zu Cybermobbing, zu sexuellen Missbrauch im Netz und letztendlich zu negativen psychischen und physischen Folgen durch erhöhten Medienkonsum bzw. durch deren Nutzung. Doch auch an dieser Stelle lade ich ein, einmal einen anderen Blickwinkel auf die Medien einzunehmen. Der Umgang mit den Medien fällt bereits Kindern sehr leicht. Sie lernen auf sehr intuitive Art, mit ihnen umzugehen.

Hindernisse und Schwierigkeiten sind Stufen, auf denen wir in die Höhe steigen. (Friedrich Nietzsche)