Dr. Frauke Viebahn

Training - Coaching - Lehre


Beziehung und Haltung im Coaching mit Jugendlichen

Haltung und Beziehung als Basis des Coachingerfolgs- eine Erkenntnis, die eigentlich nicht überrascht, dennoch erst in den letzten Jahren in den Fokus des Interesses rückte. Eine vertrauensvoll, respektvolle und würdevolle Beziehung zwischen Coach und Coachee ermöglicht erst, dass Entwicklungsprozesse beim Coachee in Gang gesetzt werden.

Besonders für Jugendliche, die als „schwierig“ gelten, ist dies essentiell. Die positive Haltung des Coachs in dieser Beziehung gegenüber dieser Lebensphase stellt dafür die Grundvoraussetzung dar. Entwicklungspsychologisch ist diese Phase keinesfalls als „schwierig“ zu bezeichnen, sondern eher als ein Aufbruch zu bewerten. Ein Aufbruch in eine eigene Identität und in ein autonomes Leben. Diese Persönlichkeitsentwicklung beinhaltet die Infragestellung und die Neubewertung von bisherigen Mustern. Um dies zu erreichen, müssen sich die Jugendlichen von den bestehenden Mustern „freistrampeln.“

Heftige Emotionen und das Eingehen von Risiken ist immanenter Teil dieser Entwicklung. Als Coach bedeutet dies, die Jugendlichen in ihren individuellen Lagen ernst zu nehmen, sie in ihren für manche vielleicht etwas seltsam anmutenden Handlungsweisen zu unterstützen und sie zu ermutigen, individuelle Wege zu gehen. Um eine Coach-Coachee Beziehung in diesem Lebensabschnitt herzustellen, ist eine Kommunikation auf Augenhöhe unabdingbar. Wenn diese mit einer wertschätzenden Haltung und der Akzeptanz eigener Einstellungen einhergeht, bedeutet dies eine vielversprechende Basis für die weitere Zusammenarbeit.

Die Haltung des Coachs beeinflusst nicht nur maßgeblich die Beziehung zum Coachee, sondern bildet ebenso den methodischen Handlungsrahmen für den gesamten Coaching-Prozess. Der Neurobiologe und Lernforscher Hüther geht fest davon aus, dass Lernerfolge auf Vertrauen, Ziele bzw. Visionen und Vorbilder basieren, die subjektiv empfunden werden. In der Folge heißt dies: Jugendliche möchten ernst genommen werden. Und das zu Recht!

Forscher:innen gehen davon aus, dass die kognitive Leistungsfähigkeit in diesem Lebensabschnitt gravierend zunimmt. Selbst wenn es manch ein Jugendlicher anscheinend gut zu verbergen scheint: Wer sich die Zeit nimmt, den Jugendlichen zum Nachdenken anregt und er oder sie sich von dem Gegenüber ernst genommen fühlt, können die Heranwachsenden sehr logisch argumentieren, abstrakt nachdenken und danach handeln.

Hüther beschreibt vor allem eine sehr hohe Lernsensibilität bei Jugendlichen, wenn die Lernerfahrungen mit angenehmen Gefühlen verbunden sind. Er spricht von einem ‚Gießkannenprinzip‘. Das heißt: Wenn Jugendliche sich wohlfühlen, lernen sie schnell und gerne. Dieses Prinzip wirkt sowohl im Coaching-Prozess als auch während Ausbildung und Studium. Wichtig ist zu wissen, dass sich im Gegensatz zu der kognitiven Entwicklung die Phase der Vollendung der Persönlichkeitsentwicklung gemäß neueren Forschungs-ergebnissen in den westlichen Industrieländern nach hinten verschoben hat, sprich: Jugendliche reifen heute auf der sozialen Ebene insgesamt später als in früheren Zeiten.

Gerade die Aufnahme einer Ausbildung oder der Beginn eines Studiums bedeuten für Jugendliche jedoch einen großen Einschnitt und vor allem einen bedeutsamen Rollenwechsel. Junge Menschen sollen dann in der Lage sein, eigene Entscheidungen zu treffen und selbstständig Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Trotz des kognitiven Leistungszuwachses, kann sich also die psychosoziale Reife verzögern. Verzögern bedeutet aber auch, sie setzt irgendwann ein, nur eben oft etwas später. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, die Jugendlichen dort abzuholen, wo sie stehen. Dann lassen sie sich normalerweise gut auf ihr Gegenüber ein, ob nun im Coaching oder im beruflichen Alltag.

Am Ende bedeuten die hier gesammelten Erkenntnisse:

‚Chill your base!‘ -es wird sich etwas verändern, wenn die Haltung stimmt!

Weitere Insights

  1. „Challenge accepted!“

    …Neue Wege im Umgang mit herausforderndem Verhalten

    Herausforderndes Verhalten bei Kindern und Jugendlichen ist in der heutigen Praxis ein zentrales Thema. Während in der Vergangenheit häufig individuelle Verhaltensauffälligkeiten im Fokus standen, zeigen aktuelle Studien, dass veränderte Familienstrukturen, die intensive Nutzung digitaler Medien und gesellschaftlicher Druck das emotionale Erleben junger Menschen grundlegend beeinflussen. Diese Entwicklungen fordern von Fachkräften ein Umdenken: Konflikte werden zunehmend als komplexe, systemische Herausforderungen verstanden, die präventiv und nachhaltig angegangen werden müssen. Neue Erkenntnisse aus der Neuroplastizitätsforschung und der Emotionsregulation belegen, dass das Gehirn von Kindern und Jugendlichen besonders formbar ist und durch gezielte, ressourcenorientierte Interventionen nachhaltig positiv beeinflusst werden kann. Diese Forschungsergebnisse untermauern die Bedeutung von frühzeitigen, präventiven Maßnahmen, die nicht nur kurzfristig deeskalierend wirken, sondern langfristig die Fähigkeit zur Selbstregulation stärken. Innovative Coaching- und Trainingsansätze, die auf den Prinzipien des lösungsfokussierten und systemischen Arbeitens beruhen, bieten hier effektive Werkzeuge, um herausforderndes Verhalten konstruktiv zu begleiten und in Entwicklungschancen umzuwandeln. Ein entscheidender Baustein moderner Interventionen ist die Selbstreflexion der Fachkräfte selbst. Der tägliche Umgang mit herausfordernden Situationen erfordert, dass Fachkräfte ihr eigenes Handeln regelmäßig hinterfragen, ihre emotionalen Reaktionen analysieren und daraus lernen. Dieser Prozess der Selbstreflexion – unterstützt durch Supervisionen und kollegiale Fallbesprechungen – hilft dabei, die eigene professionelle Haltung zu schärfen, empathischer zu agieren und Burnout vorzubeugen. Durch kontinuierliches Feedback und kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Methoden können Fachkräfte ihre Kompetenzen stetig erweitern und so den Anforderungen einer sich verändernden Praxis besser gerecht werden. Um den aktuellen Herausforderungen wirkungsvoll zu begegnen, sind präventive Maßnahmen und ein systemischer Ansatz unerlässlich. Fachkräfte sollten nicht nur reaktiv in Konfliktsituationen agieren, sondern proaktiv Strukturen schaffen, die ein positives Miteinander fördern. Dies bedeutet, dass der Blick immer auch auf das gesamte soziale Umfeld – Familie, Schule und Peergroups – gerichtet sein muss. Gruppenbasierte Interventionsprogramme, die das Erlernen von Emotionsregulation und Konfliktlösung in den Mittelpunkt stellen, sind hierbei ebenso wichtig wie individuelle Coachings, die die Stärken der jungen Menschen gezielt fördern. Der Umgang mit herausforderndem Verhalten hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Dank moderner wissenschaftlicher Erkenntnisse und innovativer Coaching-Methoden können Fachkräfte heute nicht nur kurzfristige Konflikte entschärfen, sondern auch präventiv arbeiten und langfristige positive Entwicklungen initiieren. Die kontinuierliche Selbstreflexion der Fachkräfte ist dabei ein zentraler Erfolgsfaktor – sie ermöglicht es, aus jedem Konflikt zu lernen, die eigene Professionalität zu steigern und ein unterstützendes, wachstumsförderndes Umfeld zu schaffen. Mit einem ganzheitlichen, systemisch verankerten Ansatz wird herausforderndes Verhalten zu einer Chance für nachhaltige Entwicklung – für Kinder, Jugendliche und vor allem für die Fachkräfte, die täglich an der Schnittstelle von Theorie und Praxis arbeiten.

  2. „Die Jugend von heute!“

    …ist besser als ihre Reputation

    ‚Die Jugend von heute‘ ist ein seit Jahrhunderten gebräuchlicher Ausdruck für die neue Generation von Heranwachsenden, die von älteren Generationen oft als „Störenfriede“, „Unruhestifter“ und „Unfähige“ wahrgenommen wird. Bis heute hat es bisher allerdings jede Generation geschafft, die Welt auf die eine oder andere Art für sich zu erobern und vor allem mit den gegebenen Situationen umzugehen. Doch heute geht es um die neue Generation, die Generation „Greta“, wie der bekannteste Jugendforscher in Deutschland Hurrelmann sie nennt.

Hindernisse und Schwierigkeiten sind Stufen, auf denen wir in die Höhe steigen. (Friedrich Nietzsche)